Entspannt mit Hund

Auch bei meinem zweiten Buch mit Stephanie Lang von Langen habe ich wieder viel über Hunde gelernt: Sind die fünf Grundbedürfnisse des Hundes erfüllt, genießt man ein entspanntes Miteinander. Und natürlich haben unsere Vierbeiner beim Verfassen die Ohren gespitzt und so manche Korrektur hineingewedelt.

 

 

Textprobe

Bellen, beißen, bieseln – Hunde markieren nicht um den heißen Brei herum

Lucy knabberte gern. Allerdings beschränkte sich die belgische Schäferhündin nicht auf die üblichen Accessoires wie Schuhe, sie hatte ihr Repertoire auf Menschenbeine erweitert und schon mehrere Menschen gebissen. „Nicht schlimm“, sagte Frau Huber, ihre Halterin, „nur so ein bisschen gezwickt.“

Das sah das Ordnungsamt anders, nachdem der zuletzt Attackierte sich in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandeln lassen musste. Nach einer Wesensüberprüfung bekam Lucy Maulkorb und Leinenpflicht verordnet. Frau Huber fand das ungerecht, weil Lucy doch der liebste Hund auf der Welt war, und wie vorsichtig sie mit Kindern spielte, das müsse man gesehen haben. „Wissen Sie“, erklärte Frau Huber mir, „das liegt an dem ausgeprägten Schutztrieb von der Lucy. Ihre Vorfahren, die waren nämlich alle bei der Polizei.“

Den Titel liebster Hund der Welt führte auch Larry, ein Australien Shepard, allerdings nur, so lange kein anderer Rüde am Horizont auftauchte. Dann wurde er zur Furie, stellte sich auf die Hinterbeine und knurrte und bellte und geiferte, sodass sein Besitzer Mühe hatte, den Hund zu halten. „Das ist, weil der Larry ein Alphatier ist“, schrie er mir durch das ohrenbetäubende Gebell zu.

Im letzten Winter hatte Finn so stark an der Leine gezogen, dass Frau Schwab sich bei ihrem Sturz auf einer Eisplatte die Schulter gebrochen hatte. Der nächste Winter stand vor der Tür. Finn zog noch immer an der Leine als würde zehn Zentimeter vor seiner Nase ein Steak baumeln. „Er ist halt neugierig“, entschuldigte Frau Schwab ihren Gefährten.

Betty, eine achtjährige Waldwiesenmischung, war eifersüchtig, wie mir ihr Frauchen mitteilte. „Die ist das nicht gewöhnt, dass wir jetzt zu dritt sind. Die hat mich doch immer für sich alleine gehabt. Aber jetzt habe ich wieder einen Partner, und da muss sie mich teilen, und das will sie nicht, deshalb pinkelt sie in die Wohnung. Das macht die nur aus Treue.“

Bei Ben war es angeblich typisches Hüteverhalten, das den Border Collie dazu animierte, beim leisesten Geräusch loszukläffen, sich in Rage zu bellen. „Das liegt der Rasse doch im Blut, oder?“

Bei Chino lag typisches Revierverhalten im Blut, das es seinen Besitzern, einem Ehepaar Mitte vierzig, verunmöglichte, Besuch in ihrer Wohnung zu empfangen.

Freddy, der größte Schmusehund der Welt, klebte wie Uhu an seinem Besitzer, so lange der sich in der Wohnung aufhielt. Kaum wurde er draußen von der Leine gelassen, gab er Pfotengeld, und manchmal wartete sein Besitzer sehr lang, einmal über zwei Stunden, bis Freddy zurückkehrte. „Wissen Sie“, erfuhr ich, „mein Freddy, der braucht seine Freiheit.“

Die nutzte auch Ronja. Aber sie kam schnell zurück und schleckte sich das Maul. Ronja liebte Hunde- und Katzenscheiße. Herrn Berger würgte es dann, und er hatte sich schon mehrfach übergeben müssen. Obwohl Ronjas Bluttest negativ ausfiel, glaubte Herr Berger fest an einen auf dem Blutbild unsichtbaren Mineralienmangel, der die Hündin zu ihren unappetitlichen Fressattacken animierte: Das ist organisch. Sie kann nichts dafür.

Emma konnte nicht allein sein. Kaum verließ Frau Schlegel die Wohnung, ja manchmal genügte es schon, wenn sie nur vom einen ins andere Zimmer ging, da lief die Jaulmaschine an. „Ich hab die Emma ja vom Tierschutz. Die hat Verlustängste, die glaubt, wenn ich geh, komm ich nicht wieder.“

„Und seit wann glaubt sie das?“

„Ich hab sie jetzt seit sechs Jahren, und das war von Anfang an so. Das sitzt tief. Da kann man wahrscheinlich nichts machen? Das ist ein Trauma, oder?“

Willi wollte keine Leckerlis mehr annehmen. „Er spuckt sie mir einfach vor die Füße“, erzählte Frau Bergmann bekümmert. „Egal, welche Sorte. Aber ich brauch doch Leckerlis zum Trainieren. Sonst folgt er nicht. Könnte es vielleicht sein, dass das von meiner Laktoseintoleranz kommt, wo man doch immer sagt, dass Hunde so sensibel sind?“

Ich liebe meinen Beruf und die Kreativität meiner Kunden. Und ich muss gestehen, dass ihre Erklärungen, Verdachtsmomente und Begründungen oft viel interessanter klingen als meine banale Feststellung, dass es an einem Grundbedürfnis mangelt. Aber natürlich wünsche ich mir, dass Hundebesitzer die Signale ihrer Gefährten schneller und vor allem richtig deuten. Denn ein Mangel bei einem Grundbedürfnis lässt sich relativ einfach beseitigen – wie im Falle von Max, der seine kleinen scharfen Terrierzähne in Herrchens Antiquitäten schlug:

Max und das Tischbein

Herr Gerold war verzweifelt. Sein Terriermix Max, ein knappes Jahr alt, hatte sich als Zerstörer entpuppt. Er biss nicht nur Hausschuhe und Teppiche an, wie es manche seiner Artgenossen tun, nein, Max widmete sich auch Elektrokabeln, Türrahmen und Möbeln, was für Herrn Gerold ein großes Problem darstellte, da er Antiquitäten sammelte. Kaum verließ Herr Gerold die Wohnung oder das Zimmer, knabberte Max. Als er sich in Bibermanier das Tischbein eines dreihundert Jahre alten Sekretärs vorgenommen hatte, war Herr Gerold kurz davor, den Hund ins Tierheim zurückzubringen, wo er ihn vor einem halben Jahr abgeholt hatte. Der Anfang war so vielversprechend gewesen. Herr Gerold war sechzig Jahre alt und seit zwei Jahren Witwer. Das war nicht leicht für ihn, aber allmählich kam er ganz gut zurecht. Einen Hund hatte er als Junge gehabt, den Maxi, und daran wollte er anknüpfen. Er hatte sehr schöne Erinnerungen an die Spaziergänge mit Maxi. Max sah ihm sogar ähnlich. Herr Gerold konnte den Blick kaum von ihm abwenden. Er war völlig vernarrt in den Hund – so wie Max in die Antiquitäten.

Herr Gerold hatte schon alles versucht. Max angeleint, ihn mit Wasser bespritzt, ihn beschworen, beschimpft, angebrüllt. Schließlich hatte er seine kostbaren Möbel mit einer übelriechenden Paste beschmiert, die Max unverdrossen abschleckte, ehe er zubiss – Herr Gerold bekam Reizhusten von dem Gestank. Mittlerweile hatte er die Antiquitäten in ein Zimmer seiner Wohnung geräumt, wo sie vor Max sicher waren. Leider auch vor Herrn Gerold.

„Das ist doch kein Zustand“, seufzte er. „Ich hocke in der Küche auf einem Plastikstuhl vor einem Resopaltisch, das ist eine Zumutung für mich. Es ist so hässlich bei mir, ich fühle mich überhaupt nicht mehr wohl. Aber im Wohnzimmer, wo die Antiquitäten stehen, ist kein Platz zum Essen, sie lagern ja zum Teil aufeinander.“

Es erstaunt mich immer wieder, was Menschen auf sich nehmen, um mit ihren Hunden zusammenzubleiben. Wobei die Uhr für Max nun schon recht laut tickte.

„Ich weiß nicht, ob ich das noch lange schaffe. Eine Bekannte von mir hat gesagt, dass unsere Probleme daher rühren, weil er aus dem Tierschutz ist. Weil man keine Ahnung davon hat, was er erlebt hat, und das bricht jetzt auf. Aber wissen Sie: Bei mir bricht allmählich auch was. Nämlich ich und zwar zusammen.“

Traumatisierungen werden oft bemüht, wenn Hundehalter schon lang unter einem bestimmten Verhalten des Hundes leiden, weil ein Grundbedürfnis nicht erfüllt wird. Traumatisierung klingt jedenfalls deutlich spektakulärer als Grundbedürfnis. Doch man muss immer das Gesamtbild betrachten und das Beziehungskonstrukt.

Max kam nicht zur Ruhe, weil Herr Gerold ihn ständig im Auge behielt, der den drolligen kleinen Kerl „für sein Leben gern“ beobachtete. Herr Gerold konnte kaum den Blick von ihm abwenden, und das stresste Max. Stellen Sie sich vor, jemand würde Sie den ganzen Tag fixieren und womöglich alle Ihre Handlungen kommentieren. Ach wie süß. Nein, wie drollig. Ach, wie goldig schaut er jetzt wieder, der kleine Racker. Und wie er daliegt. So niedlich auf dem Kissen.

Merken Sie, dass eine Nervenkrise naht? Da kann man durchaus mal in ein Tischbein beißen.

„Ich darf ihn also nicht mehr anschauen?“, rief Herr Gerold fassungslos.

„Doch“, sagte ich. „Aber nicht ständig. Er muss auch mal zur Ruhe kommen, denn das ist ein Grundbedürfnis des Hundes.“

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